Alkoholismus
SUCHT- ein unterschätztes Problem!
Eine sehr mutige Frau, Mela.X., sprach mit uns über ihren überwundenen Alkoholismus. Wie es dazu kam und wie sie es zurück ins Leben schaffte, mit der klaren Botschaft: Es wird alles nur besser!
Das Problem und meine Gefühle
LAK: Wie hast du dich gefühlt, als du erkannt hast, dass du ein Alkoholproblem hast?
M.: Ich hab mich geschämt. Alkoholismus hat ja dann doch einen negativer Touch, es wird aus Sicht der Gesellschaft als Schwäche gesehen. Ich befürchtete, das die Leute mich in Schubladen stecken würden.
LAK: Du hasttest Angst davor stigmatisiert zu werden, ohne das die Menschen nachzuhaken warum das so ist. Wie hat das angefangen?
M.: Anfangs hatte ich nur getrunken um zu funktionieren. Arbeit, Familie und Freunde usw. alles unter einem Hut zu bekommen... Ich hatte mich zum Schluss selbst gehasst, weil ich durch die Sucht noch weniger Zeit und Nerven hatte. Meine Gesundheit hat enorm gelitten.
LAK: Wie hat der Alkohol deine Sicht auf dich selbst und die Welt verändert? Hat sich überhaupt was geändert?
M.: Es hat sich alles verändert. Insbesondere ist mir das allgemeine Konsumverhalten aufgefallen. Einerseits wird Alkoholismus angeprangert, auf der anderen Seite wirst du blöd angeschaut, wenn du nicht trinkst. Alkohol ist quasi alltäglich und von der Gesellschaft tolleriert. Dabei wird er enorm unterschätzt, meiner Meinung nach. Als Alkoholiker lebt man wie in einer Blase. Während dem Entzug sagte man mir, das vor oder nach der Sucht Depressionen enstehen (können) bzw. entstanden sind, weshalb man mit dem trinken überhaupt angefangen hat oder weshalb viele rückfällig werden. Erst nachdem man trocken ist, kann man wieder klar denken und man denkt viel daüber nach, was einem Sinn und Halt im Leben gibt. Ich warne übrigens vor einem kalten Entzug, kann tödlich enden.
LAK: Da hast du dir einiges von der Seele geredet. Das mit dem allgemeinen Alkoholkonsum ist mir auch aufgefallen. Kalter Entzug kann töten?
M.: Ja. Da spielen mehrere Faktoren eine Rolle, kurz gesagt: Der Körper ist überfordert. Man kann übrigens auch zu Suchtberatungen gehen und sich helfen lassen. Die sind auch sehr kompetent und vertrauensvoll. Es muss nicht gleich der Arzt oder die Klinik sein. Gerade für die die stationäre Aufenthalte scheuen praktisch.
LAK: Besser als sich keine Hilfe zu suchen.
LAK: Gibt es bestimmte Erinnerungen aus der Zeit des Alkoholkonsums, die dich besonders prägen oder heute noch zu schaffen machen?
M.: Das Lügen war sehr schlimm. Dafür schäme ich mich sehr und das ich meine Familie vernachlässigt habe. Meine Gesundheit hat extrem gelitten, ich hab teilweise getrunken um die Entzugserscheinungen los zu werden. Ich hab auf nüchternen Magen Wein getrunken und musste mich natürlich übergeben.
LAK: Das mit der Gesundheit hast du vorhin schon erwähnt und ich stell mir das sehr unangenehm vor. Was waren das für Entzugserscheinungen, weshalb du das riskiert hast?
M.: Innere Unruhe und Konzentrationsschwierigkeiten überwiegend. Herzklopfen, Zittern und Schweißausbrüche kamen auch vor. Man wird schneller abhängig als man denkt.
LAK: Was war der schwerste Moment auf deinem Weg zur Nüchternheit, und wie bist du damit umgegangen?
M.: Ich hatte extreme Existenzängste. Ich wusste ich konnte nicht mehr so weiter machen, denn wenn dann am Ende etwas Schlimmes passiert... Deshalb ging ich zur Entgiftung. Ich hatte Angst davor meine Familie zu verlieren, ich wollte für meine Lieben da sein und mich um sie kümmern. Ich bin doch für sie verantwortlich.
LAK: Du hast ein stark ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein und eine starke Bindung zu deiner Familie.
M.: Sie bedeutet mir alles. Man sagte mir im Entzug, das Menschen ohne diesen sozialen Rückhalt wieder rückfällig werden um mit der Einsamkeit klar zu kommen.
Die Hilfe:
LAK: Gab es besondere Menschen in deinem Leben, die dich während deiner schwersten Zeit unterstützt haben?
M.: In der Trinkphase hab ich mich sehr zurückgezogen. Ich war ne Geheimniskrämerin. Es fing schon beim Kauf an, ich hab überlegt und gerechnet, wie lange mir eine Flasche Wein zum Beispiel reicht und wo ich den einkaufe. Wenn ich immer im selben Laden gewesen wäre, hätte das jemand auffallen können, also bin ich Umwege gefahren um die Sucht so zu verstecken. Ich hab auch versucht es zu verdrängen oder gar zu beschönigen, aber ich konnte nicht mehr so weiter machen.
LAK: Das klingt richtig nach Stress, das muss ne große Belastung gewesen sein.
M.: Ja war es. Ich war so unendlich froh und erleichtert als ich meinem Mann, meiner Familie, davon erzählt habe. Sie unterstützen und verstehen mich und das hilft mir sehr.
LAK: Das ist schön.
LAK: Gibt/Gab es besondere Routinen oder Aktivitäten, die dir dabei geholfen haben deinen Fokus vom Alkohol wegzulenken? Wenn ja, Welche?
M.: Ja. Zum Einen bekommt man Tools/Skills in die Hand, diese sollen den Suchtdruck mindern. Das Wichtigste ist aber eine Balance zwischen Anspannung und Entspannung zu finden. Einfach Dinge zu tun die einen Spaß machen und für sich selbst zu sorgen und den Selbstwert steigern. Ich habe auch gelernt mir einen festen Tagesablauf zu überlegen, zu planen und durchzuführen. Ich schreibe alles auf, mache mir Listen und halte sie ein wie wichtige Termine. Das lenkt mich ab.
LAK: Wow. Ich finde es immer beeindruckend, wenn man sich ein Ziel setzt und das dann durchzieht. Das ist cool. Sowas steigert natürlich auch den Selbstwert.
M.: Richtig! Die Spirale soll nach oben gehen, denn unter wartet die Sucht.
LAK: Das will niemand.
M.: Nicht nochmal, nein.
Das Leben danach:
LAK: Wie hat sich dein Leben verändert, seit du den Alkohol hinter dich gelassen hast?
M.: Ich verbringe mehr Zeit mit meiner Familie und meinen Tieren. Das tut mir richtig gut und ich merke wie ich Stück für Stück wieder ich selbst werde. Ich freue mich richtig darauf, denn ich war immer so lebensfroh und das vermisse ich an mir sehr.
LAK: Verständlich.
M.: Ich würde dir gerne noch was anvertrauen. Am Abend, bevor es zur Entgiftung ging, hatte ich mich schrecklich gefühlt. Mir drehte sich total der Kopf. Ich saß da, mit einem Glas Wein und wusste das das das letzte Glas in meinem Leben sein wird und bemerkte erst da, das ich Alkohol seit Ewigkeiten nicht mehr genossen habe bzw. wegen der Sucht auch nicht genießen konnte. Es war einfach nur noch Zwang.
LAK: Wie gehst du dann mit Menschen um, die dich verurteilen oder deine Entscheidung zur Nüchternheit nicht verstehen?
M.: Um ehrlich zu sein, war mein Outcoming noch nicht so groß. Ich habe bisher kaum Erfahrungen gemacht.
LAK: Hast du Angst dich rechtfertigenn zu müssen?
M.: Jaein. Ich mach mir schon Gedanken, aber das ist nun mein Leben und das müssen die anderen akzeptieren.
LAK: Richtig.
LAK: Wie fühlst du dich, wenn du an die Zeit denkst, in der du getrunken hast, im Vergleich zu heute?
M.: Kurz gesagt: Alkohol ist ein Lösungsmittel. Es löst Beziehungen, Jobs, Hobbies etc. alles auf. Aber keine Probleme.
Abschluss:
LAK: So, wir haben es fast geschafft, die letzte Frage.
M.: Yeah!
LAK: Gibt es besondere Ziele, Wünsche oder Träume, die du verfolgen willst?
M.: Oh ja! Ich möchte unbedingt trocken bleiben und meine Gesundheit beibehalten oder gar verbessern. Ich verreise auch sehr gerne, mein Traum wäre ja die USA.
LAK: Reisen ist so toll. Das sind auf jeden Fall tolle Ziele. Fallen dir sonst noch welche ein?
M.: Ich möchte meine Kinder großziehen. Ich möchte bei jedem Schritt dabei sein und sie unterstützen, ich würde gerne sehen wie sie glücklich sind und vielleicht mal heiraten. Das ist mir wichtig. Ich hatte so große Angst davor an der Sucht zu sterben und das Leben zu verpassen.
LAK: Dieser Satz gehört eingerahmt und an die Wand!
M.: Definitiv!
Wir lachen beide.
LAK: Das war ein echt tolles Interview, eine mega Erfahrung für mich. Echt inspirierend! Du warst so offen und souverän, so ehrlich und direkt. Einfach Wahnsinn!
M.: Danke! Ich fand das Gespräch auch sehr befreiend, sehr positiv und authentisch. Es tat richtig richtig gut so offen zu reden und ernst genommen zu werden. Klar hat mich das Ganze aufgewühlt, aber ich hoffe, das ich da draußen jemanden mit meiner Geschichte helfen kann.
LAK: Davon bin ich überzeugt.