Gespräche mit meinem/r Therapeut/in
Wichtig:
Die Personen in dem Text haben der Veröffentlichung dieser intimen Gespräche zugestimmt, wenn sie und die Therapeuten annonym bleiben. Sowohl Namen als auch Geschlecht können abweichen, aber die Geschichten sind echt. Dieses Tagebuch soll das Verständnis füreinander vergrößern und Vorurteile abbauen.
Nummer 1
Als ich das Zimmer meines Therapeuten betrete und mich hinsetze, entweicht mir ein tiefer Seufzer. Er schaut mich an, und ich sage zu ihm: "Bin total erschöpft. Ich fühle mich so, als könnte ich 12 Stunden am Stück schlafen." Seine Antwort darauf ist einfach und direkt: "Dann machen Sie das doch!"
Ich schaue ihn, verwirrt und überracht, an. "Ich kann doch nicht schon um 18 Uhr ins Bett gehen! Das macht doch keiner!" Er bohrt nach: "Woher wissen Sie das genau Herr S.?" Ratlos erwidere ich: "Ich weiß nicht genau... Aber die Leute werden denken, ich sei faul oder ich hätte keine Freunde oder Hobbies, wenn ich so früh schlafen gehe." Seine Antwort zeigt seine tiefgreifende Einsicht: "Es geht darum, was Sie brauchen. Und wenn Sie denken, dass Sie 12 Stunden Schlaf brauchen, sollten Sie sich das gönnen." Ich kann darauf nicht antworten. Er begrüßt mich nochmals freundlich: "Hallo Herr S.. Schön Sie zu sehen!"
In meinem Kopf steht es 1:0 für meinen Therapeuten.
Nummer 2
Ich bin entschlossen, das Thema Bedürfnisse erneut anzusprechen. Ich versuche ihr klarzumachen, wie absurd es ist, sich nach meinen eigenen Bedürfnissen zu richten.
"Stellen Sie sich mal vor Frau [Name von Therapeutin], ich gehe nach der Arbeit nicht noch Haushalt machen oder Termine wahrnehmen oder mich um meine Eltern kümmern, sondern würde mir mal nur nen schönen Abend gönnen und das Handy auslassen, so wie Sie mir das sagten. Was wäre, wenn genau dann irgendwas wäre, wenn man mich braucht und ich bin nicht da? Ich würde die Nachricht(en) erst am nächsten Morgen lesen!!!" Sie entgegnet scharf: " Frau U., wenn Sie denken, dass Sie nach Feierabend oder auch sonst noch Heldenakte vollbringen können und sollten, warum suchen Sie dann therapeutische Hilfe? Ich erinnere Sie gerne an Ihre Gründe für die Therapie."
Diese Stunde mit ihr hat mich sehr nachdenklich gemacht und ich musste ihr widerstrebend recht geben.
Wolltet Ihr nicht schon immer wissen, was in so einer Therapiestunde passiert? Filme und/oder Bücher zeigen uns entweder eine sehr entspannte Szene auf einer Coach bis hin zu Horrorszenarien mit dunklen Räumen und gefesselten Patienten. Heute öffne ich den Vorhang und gewähre euch einen Einblick in den Alltag von depressiven Menschen. Let’s go!