Ein bewegendes Gespräch...
...durften wir am Mittwoch mit Kevin Lamour führen. Er ist Pädagoge und Bereichsleiter der traumpädagogischen Gruppen in Kulmbach. Sein Kontakt wurde uns durch Tina Bachmeyer vermittelt, die ebenfalls in der Geschwister-Gummi-Stiftung arbeitet. Es war uns ein Anliegen, mehr über das sensible Thema der Jugendarbeit vor Ort zu erfahren. Nun möchten wir unser Wissen mit euch teilen:
►Bislang wussten wir nicht, was sich hinter den Türen am Entenweiher abspielt und welch wertvolle Arbeit dort geleistet wird. Auf Anfrage des Jugendamtes werden hier aus ganz Deutschland Kinder und Jugendliche aufgenommen, die im elterlichen Zuhause Misshandlung und Gewalt erfuhren - mit dem Ziel der Rückführung in die eigene Familie. "Wir sind hier, um den Kindern und Jugendlichen die Chance zu geben, sich selbst zu stabilisieren (besser: ihre Erlebnisse zu bearbeiten und psychisch gesund und stabil zu werden). Daher schaffen wir einen Ort, der nicht Gefahrenbelastet ist, ein "Zuhause", in welchem keine Gefahr besteht, wieder Gewalt etc.,. durch Erwachsene zu erleben", erklärte uns Kevin.
►Bis diese Kids wieder in ihre Familien zurückkehren können, ist die Stätte der Diakonie ihr Heim. Sollte das nicht der Fall sein, leben sie bis zu ihrem 18ten Lebensjahr, in Einzelfällen auch darüber hinaus, geborgen vor Ort, ehe sie ihren weiteren Weg beschreiten. Wir wollten wissen, wie eine Therapie im klassischen Fall aussieht, um dieses Ziel nach Misshandlung, Traumata und Gewalterlebnissen gut zu leben zu erreichen. Daraufhin erhielten wir eine erstaunliche Antwort.
►"Es gibt keine General-Therapie in diesem Sinne. Alle Kinder haben eine unterschiedliche Leidensgeschichte durchlebt und sind wie wir alle ganz individuell. Jeder Mensch geht mit seinen Erlebnissen auf eine andere Art und Weise um, sei es, um das Vergangene zu verarbeiten, oder schlicht weg um zu überleben", erläuterte uns Kevin vor Ort. "Hier wird zunächst eine Beziehungsgrundlage geschaffen. Erst, wenn sich ein Kind eingelebt hat, wird an den guten Tagen über Verhaltensmuster, Probleme, Ängste und Sorgen gesprochen, oder schlicht weg dann, wenn es sehr viel Liebe und Fürsorge notwendig hat."
►Daher erscheint es nicht verwunderlich, dass auf 14 Plätze 15,8 Pädagogen zur Betreuung eingesetzt werden. Eine individuelle Förderung bedarf eines 1:1 Verhältnisses, um ein solch individuelles Angebot gewährleisten zu können. Leider ist die Prognose tendenziell jedoch eher schlecht, diese Kinder je zu "heilen". Wir durften erfahren, dass sie alle wohl niemals ein Leben ohne Schwierigkeiten bestreiten werden. Zwischen 0 und 3 Jahren entstehen unsere Bindungsmuster. Was in dieser Zeit schief läuft, prägt einen Menschen stark. Es kann gelernt werden, wie man mit seinem eigenen Schicksal umgeht, doch gewisse Narben werden niemals verheilen.
►"Es ist ein sehr wertvoller Bereich, in diesem Umfeld zu arbeiten und sich dieser Kinder anzunehmen. Diese Kinder haben so viel Leid erfahren und würden von der Gesellschaft abgeschrieben werden. Oft begegnen ihnen die Menschen mit Vorurteilen. Wenn ein Kind sagt, dass es hier vier Jahre in Frieden und sorgenfrei leben konnte, sodass es nun keine Angst mehr haben muss, ist das für mich der Lohn, weshalb ich meine Arbeit durchführe." Das sind bewegende Worte des Bereichsleiters der Traumapädagogischen-Gruppen, der selbst noch junger Vater ist. Selbst bewältigt er den Spagat zwischen seinem Tagewerk und der eigenen Familie gut. Er beschreibt sich selbst als emphatisch und mitfühlend, doch versteht, dass sein privates Leben zu Hause einen anderen Stellenwert hat und schafft es so, sorgenfrei sein Familienleben zu genießen.
►Das Besondere, an dieser Einrichtung die wir kennenlernen durften ist, dass der bei uns ortsansässige Jugendträger alle Bereich abdeckt. Von der stationären und ambulanten Betreuung vor Ort, das Wirken in der Einrichtung, ...
►Gerne fragen wir am Ende eines Podcasts oder einer solchen Unterhaltung, nach der persönlichen Mutbotschaft des jeweiligen Gasts. Kevin Lamours Anliegen ist es, die Jugendhilfe in den Fokus zu rücken, da die Gesellschaft oft ein falsches Bild von seinen Schützlingen hat. Missverständnisse, wie man würde diese Kinder wegsperren oder sogar andere Menschen vor ihnen beschützen müssen, da betroffene Jugendliche nichts besseres zu tun hätten als randalierend durch die Straßen zu irren, ist ein Stigmata, mit dem gebrochen werden muss.
"DIE KINDER UND JUGENDLICHEN SOLLTEN DAHEIM SEIN, NICHT HIER BEI UNS. DIE RÜCKFÜHRUNG IN DIE EIGENEN FAMILIEN IST DAS ZIEL DER GESCHWISTER GUMMISTIFTUNG."
Dieses Interview hat uns drei (Nicole, Ronja, Tina) echt bewegt. Das Thema Kinder- und Jugendhilfe wird zu wenig thematisiert, umso glücklicher sind wir, das ein Mitarbeiter der Geschwister-Gummi-Stiftung bereit war mit uns über das wichtige Thema zu reden. Wie Kevin mit unseren direkten Fragen und unserer Neugier umging, zuletzt uns auch auf den Boden der Tatsachen geholt hat, lässt sich hier sehr gut lesen.